Richtlinien für die Aussonderung, Archivierung sowie Bestandserhaltung von Bibliotheksgut in den Bayerischen Staatlichen Bibliotheken

Mit KMS XII/10-K3400-12/16 077 vom 21. Juli 1998 wurden die nachfolgenden "Richtlinien für die Aussonderung, Archivierung sowie Bestandserhaltung von Bibliotheksgut in den Bayerischen Staatlichen Bibliotheken" umgehend in Kraft gesetzt.

1. Allgemeines

1.1. Zweck

Nachstehende Richtlinien sollen im Sinne der Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1986 wie des Beirates für Wissenschafts- und Hochschulfragen des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst von 1989 die Bibliotheken von selten genutzter Literatur entlasten, zugleich aber gewährleisten, daß in Bayern Werke von bleibendem Wert für Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft dennoch zur Verfügung stehen und dauerhaft erhalten werden.

1.2. Geltungsbereich

Die Richtlinien gelten für alle staatlichen Bibliotheken in Bayern sowie für nichtstaatliche Bibliotheksträger, sofern und insoweit sie staatliche Buchbestände verwalten.

1.3. Berichtspflicht

Nach Ablauf von drei Jahren haben die bayerischen staatlichen Bibliotheken dem Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst über die Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken über die bis dahin mit der Durchführung der Aussonderung, Archivierung und Bestandserhaltung gemachten Erfahrungen zu berichten.

2. Aussonderung und Abgabe

2.1. Grundsatz

Bibliotheksgut soll von Bibliotheken ausgesondert werden, wenn es für die betreffende Bibliothek entbehrlich oder unbrauchbar geworden ist.

Historisch gewachsener Altbestand bis etwa 1830/1850 ist von Aussonderungen in der Regel ausgenommen. Die nachfolgenden Richtlinien beziehen sich auf Literatur nach dem Erscheinungsjahr 1830 bzw. 1850, dabei wegen des Mengenproblems vordringlich auf die Zeit nach 1945, insbesondere soweit deren Titel bereits elektronisch nachgewiesen sind bzw. werden. Betroffen sind Buch- sowie Zeitungs- und Zeitschriftenbestände. Sofern nicht bereits geschehen, sollte aus arbeitsökonomischen und Raumgründen zunächst mit einem Schwerpunkt bei den Periodika und hier vordringlich bei Zeitungen begonnen werden. Dabei ist je nach Fach und örtlichen Gegebenheiten zu bestimmen, ob ganze Zeitschriftentitel oder nur ältere Jahrgänge ausgeschieden werden.

2.2. Zuständigkeit

Die Auswahl im Rahmen der Richtlinien und die Aussonderung selbst obliegt der abgebenden Bibliothek. Die Entscheidung über Aussonderung und Abgabe von Bibliotheksgut trifft der Bibliotheksleiter oder ein von ihm beauftragter Mitarbeiter.

2.3. Abwicklung der Aussonderung bzw. Abgabe

Formen von Aussonderung und Abgabe sind:

Aussonderungen sind nach Möglichkeit in dieser Rangfolge abzuwickeln.

Auf Werterstattung im Falle der Abgabe wird zwischen bayerischen staatlichen Bibliotheken verzichtet. (Gemäß Art. 61 BayHO liegt die Wertgrenze im Einzelfall bei DM 100 000.) Bei Aussonderung erzielte Erlöse fließen der abgebenden Bibliothek zu.

Ist auszusonderndes bzw. abzugebendes Bibliotheksgut im Bayerischen Verbundkatalog, der Zeitschriftendatenbank und vergleichbaren Nachweisinstrumenten enthalten, so ist deren Änderung zu veranlassen.

2.4. Auszusondernde und abzugebende Bestände

Wichtigstes, aber nicht alleiniges Kriterium der Entscheidung ist die Benutzungshäufigkeit. Auf die Möglichkeit des Aussonderns oder Abgebens an die Speicherbibliothek zu prüfen sind demnach vor Ort wenig oder gar nicht mehr benutzte Bestände: wegen des Raumgewinns vor allem Zeitungen und selten benutzte Zeitschriften und Kongreßberichte, insbesondere ältere Jahrgänge der Fächer Technik einschließlich EDV, Informatik, Medizin, Naturwissenschaften, unter Umständen auch wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher und anderer Fächer bzw. Teilgebiete (z. B. aktuelle Mitteilungsblätter, Referateorgane usw.), insbesondere wenn es sich um nicht mehr erscheinende bzw. abbestellte Zeitschriften oder Bruchstücke handelt;

unbrauchbar gewordene Bücher, deren Reparatur nicht lohnt.

2.5. Vor Ort zu belasssende Bestände

Viel genutzte Bestände sind grundsätzlich in der besitzenden Bibliothek zu belassen. Neben der Benützungsintensität ist generell die Versorgungsfunktion und das historisch gewachsene Bestandsprofil der einzelnen Bibliothek bei Aussonderungsentscheidungen zu berücksichtigen. Im allgemeinen vor Ort zu behaltende Bestände sind insbesondere:

in der Regel Rara- und sonstige Sondersammlungen und historisch gewachsene Bestandssegmente, deren besonderer wissenschaftlicher bzw. kultureller Wert in ihrer Geschlossenheit liegt, sowie Deposita.

Befinden sich mehrere Bibliotheken an einem Ort, so ist deren Erwerbungskonzept zu koordinieren sowie auf ein abgestimmtes Aussonderungsprofil zu achten.

2.6. Dezentrale Bibliotheken der Hochschulen

Aussonderung bzw. Aufbewahrung in dezentralen Bibliotheken einer Hochschule (Instituts- und Teilbibliotheken) sind mit der Zentralbibliothek zu koordinieren; Abgaben sind der Zentralbibliothek anzubieten, die über eine eventuelle Weitergabe an andere Bibliotheken entscheidet. Insbesondere die in dezentralen Bibliotheken nicht mehr in Freihandaufstellung unterzubringenden Bestände sind an die Zentralbibliothek abzugeben oder, falls diese auf eine Übernahme verzichtet, auszusondern oder an die Bayerische Speicherbibliothek weiterzuleiten.

2.7. Dissertationen

Dissertationen der eigenen Hochschule sind für Tauschzwecke in angemessener Stückzahl vier Jahre lang aufzubewahren.

3. Dauerhafte Archivierung und Bestandserhaltung

3.1. Archivierungsgrundsatz

Von jedem in bayerischen staatlichen Bibliotheken vorhandenen Werk soll mindestens ein Exemplar archiviert werden, sofern es für Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft in Bayern nach gegenwärtigem Urteil von dauerhaftem Wert ist.

3.2. Archivierende Bibliotheken

Die Archivierungs- und Bestandserhaltungsfunktion wird von bayerischen staatlichen Bibliotheken gemeinsam und verteilt ausgeübt.

Als bayerische Archivexemplare anzusehen und - sofern sie nicht gemäß Ziffer 3.3 an die Speicherbibliothek abgegeben werden - in der besitzenden Bibliothek dauerhaft aufzubewahren und nach Möglichkeit zu erhalten sind insbesondere:

Da der Bayerischen Staatsbibliothek als Landesbibliothek von Natur aus die Aufgabe der dauernden Archivierung zufällt, kann jede andere bayerische Bibliothek in der Regel davon ausgehen, daß alle in der Bayerischen Staatsbibliothek vorhandene Werke dort erhalten werden.

3.3. Bayerische Speicherbibliothek

Die Bayerische Speicherbibliothek übernimmt zentral die Archivierung von Bibliotheksgut, das gemäß Ziffer 3.1. von dauerhaftem Wert für das Land ist, aber nicht mehr ständig vor Ort benötigt und deshalb von der besitzenden Bibliothek abgegeben wird oder von ihr wegen Raumnot abgegeben werden muß. Werden in einer Bibliothek Werke ausgesondert, die in Bayern dauerhaft zu archivieren sind und von keiner anderen Bibliothek benötigt werden, so sind sie an die Bayerische Speicherbibliothek abzugeben. Werke der Sondersammelgebiete Philosophie und Bildungsforschung sollen zuerst der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg angeboten werden.

In der Speicherbibliothek wird grundsätzlich nur ein Exemplar aufbewahrt, Dubletten zum Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek werden in der Regel nicht archiviert. An die Speicherbibliothek sollen nur gebrauchsfähige Bände abgegeben werden. Zeitschriften werden, außer zur Lückenergänzung, nur komplett oder in größeren Partien und gebunden übernommen.

3.4. Zuständigkeit

Die Beurteilung des Archivierungswerts liegt im Rahmen der Richtlinien bei der besitzenden Bibliothek. Sie entscheidet im Falle des dauerhaften Wertes über eine weitere Aufbewahrung und eventuelle Bestandserhaltungsmaßnahmen in der eigenen Bibliothek oder Abgabe an die Bayerische Speicherbibliothek.

3.5. Bestandserhaltungsmaßnahmen

Gefährdete Einzelwerke bzw. Bestände werden gesichert und verfügbar gehalten entweder durch Entsäuerung bzw. im Einzelfall Restaurierung des Originals oder durch Papierkopie, Verfilmen oder digitale Speicherung. Bei Selektion der Werke wie auch bei der Wahl der angemessenen Erhaltungsmethode sind in Relation zu den aufzuwendenden Kosten insbesondere zu berücksichtigen:


Letzte Änderung auf dieser Seite: 10.9.1998

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